Interview Teil 2
5. Was sind die Motive?

Wir haben festgestellt, dass immer häufiger Langeweile und der Spaß daran, andere fertig zu machen, aber auch der Wettbewerbs- und Leistungsgedanke eine wichtige Rolle spielen. Gemäß dem Motto: Wer hat das peinlichste Video eines Mitschülers oder das brutalste Prügelvideo? Hier können wir auch Nachahmungsverhalten feststellen: Erhält jemand z.B. durch das Veröffentlichen von peinlichen Fotos eines Mitschülers von anderen Facebook-Usern tausend und mehr Likes, kann er anderen als „Vorbild“ dienen, dies auch zu tun, man möchte auch eine solche Anerkennung erhalten! Aber auch Rache oder Revanche spielen eine Rolle – Mobbingopfer haben jetzt erstmals die Möglichkeit sich zu wehren, was sie sich im realen Umfeld nicht getraut haben.

6. Wer ist besonders gefährdet Täter oder Opfer zu werden?

Zum einen sind die meisten Täter Mobber in der Schule und Mobber im Internet. Allerdings: Es gibt auch Opfer von Mobbing (Schule und Internet), die sich über Cybermobbing wehren oder rächen wollen.
Betrachtet man die Opfer so lässt sich in zahlreichen Studien bestätigen: Meist sind es gerade nicht die supercoolen Typen, die zu Opfern werden. Auch hier gibt es eine hohe Überschneidung zwischen den Opfern von Schul- und Cybermobbing, häufig wird man im Netz und im echten Leben Opfer von Mobbingverhalten. Dabei weisen Opfer von Cybermobbing häufig ein geringeres Kompetenzbewusstsein und Selbstakzeptanz auf, fühlen sich weniger begabt als andere und sind unzufriedener mit ihrem Aussehen.
Auch ist bei den Opfern die Zahl cyberfixierter Jugendlicher – die sich also stark mit der Online Community identifizieren, viel Zeit im Internet verbringen, sich online wohler als in der Klasse fühlen – recht hoch. Aber: Es gibt durchaus auch reine „Netz-Opfer“. Hier entstehen Gefahren oft dann, wenn Personen stark über ihre Probleme reden. Zudem sind oft Neulinge betroffen. Es ist eben leicht, jemanden fertigzumachen, der neu in einer Community ist und noch keine „Freunde“ hat.
Und auch das eigene Verhalten kann Cybermobbing auslösen, z. B. Sexting, posten von eigenen sexy Bildern. Dahinter kann natürlich auch Neid stecken: Wenn jemand auf den Fotos hübscher und attraktiver rüberkommt und dann noch von mehr Jungs kontaktiert wird, als man selbst, kann dies der Auslöser sein, dass man über diese Person dann Gerüchte verbreitet und sie z.B. als sexgeile Schlampe bezeichnet. 



7. Was raten Sie Opfern von Cybermobbing? Manchmal sind ja auch Lehrkräfte betroffen…

Wichtig ist, dass man sich nicht versteckt, sich evt. selbst die Schuld gibt oder glaubt, das geht einfach so vorbei. Das erfordert einerseits Mut, macht aber auch den Tätern deutlich, dass man solches Verhalten nicht duldet und erträgt! Deshalb sind auch Personen wichtig, mit denen die Opfer reden können und die zu ihnen stehen. Man braucht das Gefühl, eine Lobby zu haben und dass Hilfe vorhanden ist. Allerdings hat es sich als großes Problem erwiesen, dass viele Leute überhaupt nicht verstehen, wie schlimm Cybermobbing empfunden wird. Und Zeugen trauen sich oft nicht, etwas dagegen zu unternehmen, aus Angst, selbst Opfer zu werden. Das muss sich ändern!

Wichtig ist:
•    Nicht alleine agieren, Verbündete suchen- auch im Netz z.B. auf Facebook, dort wo Cybermobbing passiert.
•    Anbieter informieren, aber auch Freunde, Lehrer und Eltern- hier ist ein gesundes Vertrauensverhältnis wichtig.
•    Erste Hilfe als Anlaufstelle sind  Onlineforen wie z-B save-me-online oder juuuport.
•    Keine Angst haben- die „Bösen“ sind die, die andere fertig machen.

8. Wie sollten das soziale Umfeld/ die Schule reagieren?

Das allerwichtigste ist: Hinzuschauen, die „Cybermobbingbrille“ aufzusetzen- egal wo man sich bewegt, in der Schule oder im Netz! Und ein offenes Ohr zu haben! Nichts ist für die Opfer schlimmer, als wenn sie nicht ernst genommen werden und man Cybermobbing einfach als Kavaliersdelikt ansieht oder bei den Opfern noch selbst die Schuld sucht!
Das soziale Umfeld muss den Tätern deutlich machen, dass Cybermobbing nicht geduldet wird und man auf der Seite der Opfer steht! Also Handeln ist wichtig- und auch danach zu fragen, was das Opfer eigentlich möchte!

9. Was würden Sie Tätern raten?

Die meisten Täter tun dies ja nicht rein zufällig sondern mit vollem Bewusstsein einer Person Schmerz zuzufügen, sie fertig zu machen oder anderen gegenüber dumm, blöd oder peinlich dastehen zu lassen. Allerdings fehlt manchen Tätern der Überblick, wie schlimm sich ihr Verhalten bei den Opfern auswirkt: Sie sollten sich einmal vorstellen, wie es ihnen selbst gehen würde, wenn ihnen so etwas passierte. Und natürlich sind viele Taten von Cybermobbing auch Straftaten.

Man sollte auch überlegen, ob man Streit oder Probleme nicht anders lösen kann. Durch Gemeinheiten und Mobbing spürt man sich selbst vielleicht im ersten Moment besser, aber eine Lösung ist das nicht.
Und: Man muss nicht jeden mögen, trotzdem sollte man jedem mit Respekt begegnen!

Wichtig: Auch Täter brauchen Ansprechpartner- jemanden, der versucht gemeinsam Lösungen für die Probleme zu finden! Auch das muss Teil der Präventionsarbeit sein!!!



Zur Person:

Frau Dr. Catarina Katzer, Institut für Cyberpsychologie und Medienethik in Köln und Mit-Gründerin des Vereins Bündnis gegen Cybermobbing e.V., studierte Volkswirtschaft, Soziologie und Sozialpsychologie an der Universität  Köln. Sie arbeitet als Präventionsexpertin an Schulen, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, für Kommissionen des Europarates, des Deutschen Bundestages sowie Regierungsinstitutionen im In- und Ausland. Gemeinsam mit internationalen Kollegen erforscht sie das Thema Cybermobbing.
Ihr aktuelles Buch ist im Springer Spektrum Verlag erschienen und trägt den Titel „Cybermobbing - Wenn das Internet zur W@ffe wird“ (ISBN 978-3-642-37671-9, 19,99€)

Interview Teil 2 Autor/in: Kira